“Die Schulter – Dreh- und Angelpunkt für weite Würfe"

  09.04.2018    Leistungssport
Die Schulter ist das Gelenk mit den meisten Freiheitsgraden. Kein Gelenk benötigt eine derart starke muskuläre Stabilisation. Vor allem in den Überkopf- und Wurfsportarten wird diese muskuläre Stabilisation neben einer hohen Beweglichkeit benötigt, soll das Schultergelenk langfristig gesund und leistungsfähig gehalten werden.

Im Vergleich zum Kugelstoßen und Diskuswerfen findet beim Speerwerfen eine einarmige Schlagwurfbewegung statt, bei der das Schultergelenk zu Beginn über 90° abduziert (von der Mittellinie des Körpers nach außen bewegt) und außenrotiert wird. Hierzu muss das Schulterblatt eine dreidimensionale Bewegung vollziehen (Außenrotation, Kippung nach posterior (hinten), aufwärts gerichtete Rotation) um den vollen Bewegungsweg der Schulter zu ermöglichen und dem Arm eine stabile Basis zu bieten. 

Das sportmotorische Ziel des Wurfs besteht in der maximalen Beschleunigung des Endsegments Hand, beziehungsweise des Wurfgeräts. Das Spannungszentrum liegt in der wurfseitigen Schulter, dadurch erfährt diese eine besonders hohe Beanspruchung. Auf der Körpervorderseite (ventral) werden die Strukturen während des Wurfs maximal gedehnt. Die Rückseite der Schulter, insbesondere die hintere Kapsel muss nach dem Abwurf die Kräfte auffangen, sobald der Wurfarm abgebremst wird. Es kommt schon nach relativ kurzer Zeit zu einer Verdickung der posterioren Kapselanteile mit einer Veränderung der Bewegungsreichweite im Schultergelenk (glenohumeral Gelenk). Insbesondere bei Speerwerfern ist die Innenrotation bei 90° Abduktion zunehmend eingeschränkt und die Außenrotation vergrößert. Somit ist zwar der normale Umfang des Bewegungswegs weiter erhalten, hat sich aber deutlich gegenüber der Nicht-Wurfarmseite verschoben. Dieser Befund wird als GIRD (glenohumerales Innenrotationsdefizit) bezeichnet. Relevant ist dies insbesondere, da sich hierdurch der Kontaktpunkt zwischen Oberarmkopf und Gelenkpfanne am Schulterblatt verändert und Schädigungen der anteiligen Gewebe begünstigt.

Es ist weiterhin äußerst relevant, dass das Schulterblatt fein koordiniert in die Bewegung integriert ist. Ist die Bewegung des Schulterblatts beispielsweise durch muskuläre Insuffizienzen beeinträchtigt, spricht man von einer Skapuladyskinesie (Kasten, Kopkow, & Dexel, 2012). Es gilt also im Kontext der Stabilisierung der Schulter auch immer die Stabilisation und Führung des Schulterblatts am Rumpf (skapulothorakaler Rhythmus) mit einzubeziehen.

  

Anatomie kurzgefasst

Das Schultergelenk (Articulatio humeri) ist das beweglichste Kugelgelenk des Menschen. Es wird aus dem Oberarmkopf (Caput humeri) und der Pfanne des Schulterblatts (Cavitas glenoidales) gebildet. Es wird insbesondere durch die muskulären und die bandhaften Strukturen stabilisiert. Eine Vergrößerung der Gelenkfläche wird durch die Knorpellippe (Labrum glenoidale) um die Cavitas glenoidales herum gewährleistet. Das Schulterblatt liegt flächig auf dem Rippenbogen auf. Es dient in erster Linie als Muskelursprungsfläche und bietet dem Arm ein stabiles Widerlager. Auf der Körpervorderseite ist das Schulterblatt mit dem Schlüsselbein und dies wiederum mit dem Brustbein verbunden. Somit liegt das Schultergelenk von oben auf dem Brustkorb auf und bietet ein Höchstmaß an Beweglichkeit.

Zur Visualisierung der Bewegungsmöglichkeiten des Schultergelenks und des skapulothorakalen Rhythmus bietet sich folgendes <link https: youtu.be rrxfpfviexs external-link-new-window internal link in current>Video an.

Zandt hat 2012 erstmals in einer Studie an Speerwerfern und Volleyballern prospektiv untersucht, inwiefern sich ein Stabilisations- und Dehnungsprogramm auf Risikofaktoren des Schadensbilds „Werferschulter“ auswirken. Die oben angeführten Risikofaktoren GIRD, skapulothorakaler Rhythmus und muskuläre Kräfteverhältnisse wurden untersucht. Auch wenn es in der genannten Studie zu keiner signifikanten Veränderung der Risikofaktoren gekommen ist, so wird dennoch für die individuelle Betreuung von Leistungssportlern weiterhin ein Stabilisations- und Dehnungsprogramm empfohlen. Problematisch am Studiendesign war offensichtlich die geringe Probandenzahl, welche deutlichere Ergebnisse verhinderte.

 

Training

In der Zeitschrift Leichtathletiktraining hat Zandt (2012) ein Beispielprogramm zur Schulterstabilisation und -dehnung vorgestellt.

Es ist dringend anzuraten, dass Nachwuchsleistungssportler eine gezielte Kräftigung der schulterstabilisierenden Muskulatur vornehmen. Hierbei sollten alle Bewegungsmöglichkeiten abgebildet werden. Explizit ist auf die Ansteuerung der Rotatorenmanschette (m.subscapularis, m.teres minor, m.infraspinatus und m.supraspinatus) zu achten.

Wird im Grundlagentraining ausreichend viel geturnt, so bietet dies eine gute Grundlage für eine muskuläre Stabilisation der Schulter. Dennoch bedarf es in Folge weiterer Trainingssequenzen, um die Schulter für dauerhaft weite Würfe gesund zu erhalten.

Zur Integration in den Trainingsalltag finden sich <link internal-link internal link in current>hier ebenfalls zwei Videosequenzen aus dem Training zur gezielten Schulterstabilisation und -dehnung. Die Übungsdurchführung ergibt sich aus dem Video und kann zur Visualisierung im Training eingesetzt werden. Weitere Beispiele folgen.

 

  

Literaturverzeichnis:

 BISp-Jahrbuch: Forschungsförderung 2011/12. (2013). Hellenthal: Sportverlag Strauß.

Kasten, P., Kopkow, C., & Dexel, J. (2013). Die schmerzhafte Werferschulter: evidenzbasiertes Übungsprogramm bei Skapuladyskinesie. Obere Extremität, 8(3), 164–169. doi.org/10.1007/s11678-012-0199-4

Zandt, J. (2012). Die Wurfschulter gezielt gesund erhalten. Leichtathletiktraining, 23(4), 21–27.

Zandt, J. (2012). Die Wurfschulter gezielt gesund erhalten: Teil 2. Leichtathletiktraining, 23(5), 24–30.

Zandt, J. F., Beitzel, K., Beitzel, K. I., Buchmann, S., Imhoff, A. B., Brucker, P. U., & Schwirtz, A. (2013). Präventives Training und Diagnostik bei Schulterbeschwerden im Spitzensport. In BISp-Jahrbuch: Forschungsförderung 2011/12 (pp. 9–15). Hellenthal: Sportverlag Strauß.

erstellt von ps